07.11.2003, 19:30 Uhr Bläserfreundschaft Bayern-Tirol
Spektakulärer Auftakt einer Bläserfreundschaft
Gemeinsames Konzert des Sinfonischen Blasorchesters des Landkreises und der Brassband aus Hall in Tirol
Von Guntram Kraus
 
Pocking. Dieses Konzert unter dem Motto „Bläserfreundschaft Bayern – Tirol“ war nicht nur ein Novum im Kulturleben des Landkreises Passau und der Stadt Pocking, weil es in dieser Form zum ersten Mal stattfand. Das Sinfonische Blasorchester des Landkreises Passau und die Brassband Fröschl aus Hall in Tirol schufen auch in seiner Qualität ein einzigartiges Musikereignis.
 
Mit Sicherheit hatten noch nie zuvor zwei so hochkarätige Blasorchester zu einem gemeinsamen Konzert in der Stadthalle zusammengefunden wie am vergangenen Freitag Abend. Die Stadt Pocking zeigte sich als stilvoller Gastgeber und dankte den beiden Orchestern das Privileg, diesen Abend ausrichten zu dürfen, mit der kostenlosen Überlassung des – vollbesetzten - Saales, der sich auch durch seine bewährte Akustik als bestgeeigneter Schauplatz erwies.
 
Überhaupt zu verdanken ist dieses Konzerterlebnis der Initiative von Hans Killingseder. Zwischen dem Chef des Landkreisorchesters und Bad Griesbacher Stadtkapellmeister und Hannes Buchegger, den Leiter des Haller Ensembles, hatte schon vor einigen Jahren Karl Geroldinger, der bekannte Leiter des ebenfalls hochrenommierten Sinfonischen Blasorchesters aus Ried/Innkreis, den Kontakt hergestellt. Bei gemeinsam besuchten Musikkongressen und Fortbildungsveranstaltungen wurde aus der beruflichen schnell eine persönliche Freundschaft. Mit diesem Konzert erlebte das vom ersten Stück an begeisterte Publikum gleichsam deren musikalische Manifestation.
 
Als optimal geeignet für einen repräsentativen Einstieg in das Konzert erwies sich die vom Landkreisorchester präsentierte Komposition „Olympica“ des Niederländers Johann de Meij mit ihren festlich-anmutigen Anfangsmotiven. Durch die abwechselnden Führungsrollen konnten alle Register einschließlich der Schlagwerker schon hier ihr virtuoses Können unter Beweis stellen. Das an diesem Abend mit rund achtzig Instrumentalisten angetretene Landkreisorchester setzte sich je zur Hälfte aus Akteuren des Sinfonischen Blasorchesters Bad Griesbach und Musikern anderer Ensembles der Region zusammen.
 
Die Brassband Fröschl, überhaupt zum ersten Mal in Bayern zu Gast, stellte sich dem Publikum mit dem Titel „The Devil and the Deep Blue Sea“ vor. Der Titel greift die beiden gegensätzlichen Charakteristika des Werkes auf: Der „Teufel“ kommt immer wieder daher in Gestalt eines Fugenmotivs, dessen wahnwitziges Tempo den Bläsern aller Instrumentengruppen ein kaum nachvollziehbares Höchstmaß an technischem Vermögen abverlangte. Dazwischen thematisiert der Autor in getragenen Phrasen sein Ambiente beim Komponieren: den Blick von einer Klippe hinaus aufs tiefblaue Meer.
Es war kein Wunder, dass die Brassband Hall bereits nach dieser ersten Kostprobe ihres Könnens Ovationen erntete, und es war schon jetzt verständlich, dass das dreißigköpfige Ensemble – im Übrigen ein reines Männerorchester – in den fünfzehn Jahren seines Bestehens bei den einschlägigen Wettbewerben bereits viermal den Titel eines Europameisters errang.
 
Mit der „Overtüre 1812“ von Peter I. Tschaikovsky folgte – nun wieder durch die Landkreismusiker – gleich ein weiterer musikalischer Höhepunkt. Im Jahre 1881 anlässlich der Einweihung der Moskauer Erlöserkirche entstanden, setzte der vielleicht bekannteste aller russischen Komponisten den Krieg seines Landes mit Frankreich und den in eben jenem Jahr 1812 errungenen Sieg über Napoleon in Noten um. Die Hölzer blasen einen getragenen Beginn, bevor die Blechbläser schrill übernehmen müssen. Den Zuhörer vereinnahmt voll und ganz, wie sich zunächst der sakrale Anlass für die Entstehung des Stücks mit dessen martialischem Stoff abwechseln, bevor sich am Ende Siegesfanfaren und Glockengeläut melodisch vereinen. Schon zuvor ist „gänsehautträchtig“, wie sich aus dem musikalischen Kampfgetümmel die Motive der Marseillaise und des Chorals „Ach, erlöse mich, o Herr“ herausschälen. Hans Killingseder führte seine Instrumentalisten gewohnt souverän durch das höchst anspruchsvolle dynamische und rhythmische Gegeneinander des Werkes.
 
Mit einem „Folk Festival“ von Dmitri Shostakovich entließen die Gäste aus Tirol das schon jetzt restlos begeisterte Publikum in die Pause und holten es mit der Ouvertüre „Candide“ von Leonard Bernstein von dort zurück. Das Blasorchester des Landkreises verweilte danach beim berühmten Amerikaner und präsentierte einen musikalischen Querschnitt durch die „West Side Story“. So populär alle einzelnen Songs dieses Musical sind („I’d like to be in America“, „Tonight“, „Maria“), so geschickt verbindet das Arrangement dieses Medleys vollendete Bläsersymphonik mit fetzigem Big-Band-Sound.
 
Bei der nun folgenden „Hymn of the Highlands“ von Philipp Sparke, eines weltweit anerkannten Komponisten für symphonische Blasorchester-Literatur, handelte es sich um ein musikalisches Landschaftsgemälde von höchster Emotionalität. Die von der Brassband Hall vorgetragenen drei Sätze des Werks ließen das Schottischen Hochland in seiner Harmonie aus grünen Hügeln, Seen und urtümlichen Dörfern vor den Augen vorbeiziehen, taten aber auch die Rauheit des Nordens kund, die diesem Landstrich innewohnt. Die Hörner ließen entfernte Rufe der Schafhirten erklingen, die Flügelhörner ahmten den Dudelsack nach. In höchster Reinheit von Ansatz und Ton blies Florian Klingler sein Solo auf dem Soprancornet; zart und verträumt, wie es sich kaum beschreiben lässt, kam es im Ohr des Zuhörers an. So gut muss man spielen können bei den Münchner Philharmonikern, wo der Solist hauptamtlich tätig ist!
Hans Killingseder sprach dem Publikum aus dem Herzen, als er in seiner nachfolgenden Überleitung bemerkte, „dass dies das Beste war, was ich je in meinem Leben von einer Brassband gehört habe“.
 
Hannes Buchegger, der Chef des österreichischen Ensembles und im Hauptberuf Direktor der Musikschule in Hall, hatte dem Publikum zuvor die Bezeichnung „Brassband“ erläutert. Dabei geht es nicht etwa nur um eine modernistische Übersetzung von „Blaskapelle“. Vielmehr steckt hinter einer „Brassband“ eine in der englischen Tradition beheimatete spezifische Instrumentierung des Orchesters: ohne jegliche Holzblasinstrumente, dafür mit verstärkten Blechregistern (Hörner, Baritone) und Schlaginstrumenten. Bei den „Trompeten“ handelt es sich genau genommen um deren englische Variante, die sogenannten Cornets.
 
Noch einmal wurden die Anhänger konzertanter Blasmusik förmlich von den Sitzen gerissen, als nach der Granada-Melodie des Landkreisorchesters die Tiroler Musiker eine Komposition ihres Schlagzeugers zum Besten gaben. Mit „Funky Trombones“ rückte dieser seine Posaunisten-Kollegen in den Mittelpunkt. Wann hört man schon – wie bei den drei Solisten der Band - den warmen, vollen Klang und das weite Spektrum der Tonlagen dieses Instruments so zur Geltung kommen?
 
Bei einer ganzen Reihe von Zugaben in vorwiegend lateinamerikanischen Rhythmen fanden schließlich beide Orchester im Spiel zusammen, was nicht zuletzt als dirigentische Meisterleistung beider Ensembleleiter über mehrere Zehnermeter Distanz hinweg gewürdigt werden muss. Als musikalischer Fixpunkt dieses letzten Konzertabschnitts dürfte sicherlich das Stück „En Aranjuez con tu Amor“ mit seinem geradezu betörend gefühlvollen Flügelhorn-Solo empfunden worden sein.
 
Es ist dahingestellt, ob sich nach diesem furiosen Auftakt die Bläserfreundschaft Bayern - Tirol mit weiteren gemeinsamen Konzerten fortsetzt, ob die Brassband aus Hall wieder einmal zu einem Gastspiel in den Landkreis kommt. Da ist es wenigstens beruhigend zu wissen, dass man das Symphonische Blasorchester des Landkreises stets in seiner Nähe hat.


BLÄSERFREUNDSCHAFT BAYERN – TIROL
 
Brass Band Fröschl Hall
Leitung: Hannes Buchegger
Sinfonisches Blasorchester Landkreis Passau
Leitung: Hans Killingseder
 
KONZERT am 7. Nov. Stadthalle Pocking 19.30 Uhr
 
 
 
Johann de Meij                      OLYMPICA
 
Derek Bourgeois                   THE DEVIL A. THE DEEP BLUE SEA     
 
Peter I. Tchaikovsky             OVERTURE 1812
 
Dmitri Shostakovich             FOLK FESTIVAL
 
                                               ****************
 
Leonard Bernstein                 CANDIDE
 
Leonard Bernstein                 WEST SIDE STORY
 
Philip Sparke                         HYMN OF THE HIGHLANDS
                                               Ardoss Castle / Flowerdale
                                               Solist: Florian Klingler, Soprancornet
                                               Dundonel
 
Augustin Lara                       GRANADA
 
Norbert Rabanser                  FUNKY TROMBONES
                                               Solisten: Lito Fontana,
Markus Wurzenrainer, Gerhard Finatzer

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